Dänischen Pragmatismus verstehen
Um in voller Gänze ins dänische Stadtleben eintauchen zu können, stand als erstes ein zweistündiger Dänisch-Crash-Kurs auf dem Programm. Nach einigen Probedurchgängen mit Zungenbrechern und herzhaften Lachern konnten wir uns alle auf Dänisch vorstellen, einen Café ordern und unser Gegenüber zum Tanzen auffordern. Dem Erfolg des Seminars stand nun nichts mehr im Wege! Ausgerüstet mit den wichtigsten Vokabeln machten wir uns auf dem Weg zu Wissenschaftlern, Politikern, Kultur-, Kirchen- und Wirtschaftsvertretern, um mehr über das Verhältnis Dänemarks zur EU und zu Deutschland zu erfahren.
Unsere erste Station war die Universität Kopenhagen, wo uns der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Anders Wivel den „pragmatischen und funktionalistischen Ansatz“ des Landes genauer erläuterte. Dabei wurde schnell deutlich, dass die Dänen die EU weniger als politisches Zukunftsprojekt, sondern eher als „praktisches Werkzeug“ für ausgewählte Projekte sehen. Gründe für diese Sichtweise sind die kleine Größe und starke wohlfahrtsstaatliche Ausrichtung des Landes sowie die historisch verwurzelte nationale Identität. Ähnlich argumentierte auch der deutsche Botschafter Claus Robert Krumrei, den wir in seiner Residenz in Kopenhagen trafen. Auch er verwies auf die Geschichte der Dänen, die durch die Herrschaft der Wikinger gefolgt von einem großen Machtverlust geprägt war. Dieser Verlust von weiten Landesteilen und Einfluss entwickelte sich in der Folgezeit zu einer Art „nationalem Trauma“ und prägt noch heute in Teilen die dänische Politik. Dennoch sah er die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark in der Realität als gering an, verwies jedoch auf die stark ausgeprägte Konsenskultur und die Bescheidenheit der Dänen als besondere Charakterzüge.

Kooperation bei Wirtschaft und Klima
Die Beziehung zwischen der EU, Deutschland und Dänemark stand auch im Mittelpunkt unseres Besuches bei der Deutsch-Dänischen Handelskammer. Wie schnell deutlich wurde, zeichnet sich die dänische Wirtschaft vor allem durch enge Netzwerkstrukturen und ein hohes Vertrauen zwischen den Unternehmen aus. Als deutsch-dänisches Vorzeigeprojekt gilt der Fehmarnbelt-Tunnel, der zwischen der deutschen Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland gebaut werden soll. In Kopenhagen präsentierte uns der stellvertretende Projektleiter Ajs Dam das Bauprojekt und machte − mit Blick auf die EU-Integration − auf die länderspezifische unterschiedliche Auslegung von EU-Richtlinien aufmerksam, die die Schnittstelle für Entscheidungen maßgeblich einschränke.
Ein weiteres Highlight war das Treffen mit dem Generalsekretär der „Konservativen Volkspartei“, Søren Vandsø. Er erläuterte uns das Parteiensystem Dänemarks und diskutierte mit uns den dänischen Sonderweg in der EU. Für ihn sind es vor allem die Themen Klima und Wirtschaft, in denen die Dänen eine enge Kooperation mit der EU suchen. Im militärischen Bereich orientiere man sich hingegen stärker in Richtung USA und Großbritannien, so Vandsø.
Auf den Spuren des dänischen Konzeptes für Glück: Hygge
Neben Politik- und Wirtschaft standen auch Kultur, Sprache und Kirche auf dem Programm. So besuchten wir das Goethe-Institut und die deutsche Sankt Petri Gemeinde in Kopenhagen, lernten bei Stadtführungen zu Fuß und auf dem Wasser die dänische Hauptstadt kennen und unternahmen einen Ausflug in die ehemalige Handelsmetropole Helsingør nördlich von Kopenhagen. Beim Stadtbummel, während der Mittagspause im Park oder beim Abendessen auf dem Street Food Markt löcherten wir immer wieder den ein oder anderen Dänen und wollten herausfinden, was die Bevölkerung denn so über die EU denkt. Schnell stellten wir fest, dass es vor allem die junge Generation ist, die die EU-Integration zunehmend unterstützt.
Und dann gibt es da noch diese eine Sache, die unser Seminar durchweg begleitet hat: die dänische Art, das Leben zu leben, kurz: Hygge! Dieses Gefühl der Gemütlichkeit, das die Dänen zu den glücklichsten Menschen der Welt macht. Diesem Gefühl sind wir bei dem perfekt organisierten und spannenden Seminar sehr nahe gekommen…




Die Autorin:
Larissa Rohr ist Stipendiatin der JONA und studiert den Master „Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“ an der Universität Duisburg-Essen. In ihrer Freizeit engagiert sie sich ehrenamtlich für die DLRG und ist Hilfslehrkraft in Deutschkursen für ausländische Studierende.