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Besuch in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim

Ein Gefängnis einmal von Innen sehen, um Gerüchte und durch Medien inszenierte Vorstellungen eigens prüfen zu können – das war das Hauptanliegen der Münchner Hochschulgruppe 6, die am 12 Februar 2019 die Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim im Stadtteil Obergiesing besuchte. Dabei lernten wir während der Führung und vor allem auch durch das Gespräch mit einem Inhaftierten unseren Rechtsstaat von einer bislang nur vermuteten Seite kennen und die eigene Freiheit noch viel mehr schätzen.

Um 9 Uhr morgens trafen sich 16 Stipendiaten aus der Hochschulgruppe 6 und anderen Münchner Gruppen, die sich diese interessante Führung nicht entgehen lassen wollten, vor der JVA München an der Stadelheimer Straße. Als die Justizvollzugsbeamten uns gelbe Kärtchen austeilten, um uns ein reibungsloses Verlassen der Anstalt am Ende der Führung wieder zu ermöglichen, blieb so manch einem, trotz Späße der Beamten, das Lachen ein wenig im Halse stecken – eine Erinnerung daran, dass der Schritt aus der Tür ins Freie eben nicht für jeden hier selbstverständlich ist. 

Nachdem alle ihre Handys und Schlüssel, die in der Anstalt nicht erlaubt sind, abgegeben hatten, gab uns der Leiter der JVA, Herr Regierungsdirektor Michael Stumpf, gemeinsam mit zwei Justizvollzugsbeamten einen Überblick über den Alltag und auch die Herausforderungen, die die zweitgrößte Justizvollzugsanstalt Deutschlands täglich zu meistern hat. Neben finanziellen Herausforderungen, die sich damit beschäftigen, wie mit geringsten Mitteln Unterkunft, Versorgung und Betreuung der rund 1500 Inhaftierten gewährleistet werden sollen, erwähnte der Leiter der JVA dabei auch, welche Schwierigkeiten die Auslastung der meist komplett besetzten Anstalt und auch die psychologische Betreuung der Inhaftierten, wobei auf 200 Inhaftierte nur ein Psychologe kommt, darstellen. 

Überdies teilten die Justizvollzugsbeamten schließlich noch Einblicke in den Alltag von Gefangenen mit uns. Dieser beginnt meist um 6.30 Uhr morgens, worauf nach kurzem Frühstück meist sieben Stunden Arbeit folgen. Nach der Arbeit hat jeder Gefangene rund eine Stunde zur freien Gestaltung – sei es zu duschen, Anträge aller Art zu stellen oder mit anderen Gefangene kartenzuspielen – bis um 17.00 Uhr die Türen zu den Zellen wieder verschlossen werden. 

Über diese Einblicke hinaus hatten wir die Möglichkeit, uns nicht nur einzelne Zellen und die aus amerikanischen Serien bekannten Besuchsräume mit Trennscheibe und Telefon anzuschauen, sondern durften auch mit einem Gefangenen auf der Therapiestation ins Gespräch kommen. Allen von uns lagen wohl tausend Fragen auf der Zunge, um eine solch außergewöhnliche Begegnung zu nutzen und uns unsere eigenen Meinungen zu bilden. 

Er freue sich darauf, wieder einmal zu grillen, wenn er seine Haft in knapp einem Jahr abgesessen habe und hoffe, dass seine zukünftigen Arbeitskollegen und Mitmenschen ihm eine Chance geben würden und ihn nicht einfach als Verbrecher abstempeln. Gleichzeitig habe ihm die Haftzeit und besonders die Zeit auf der Therapiestation geholfen, seine Fehler einzusehen, zu bereuen und an sich selbst zu arbeiten, weshalb er verstehe, wieso diese Zeit notwendig war, auch wenn er es niemandem wünsche, eingesperrt zu sein. 

Aber nicht nur die Worte des Gefangenen, auch die des Psychologen regten zum Nachdenken an: Unter Zwang könne man sich nicht ändern, weshalb diese Therapiestation, die so ganz anders ausgestattet ist und auch mit mehr Freiheiten für die Inhaftierten einhergeht, so wichtig ist, um Menschen nach schweren Straftaten eine positive Änderung und Resozialisierung zu ermöglichen. Schließlich ist neben dem Schutz der Gesellschaft auch das die Aufgabe einer JVA: Gefangene soweit zu bringen, dass sie sich in die Gesellschaft eingliedern und wieder Teil davon werden können, ohne rückfällig zu werden. 

Selten von einem Hochschulgruppenausflug so berührt und zum Nachdenken angeregt verließen wir also die JVA nach fast dreieinhalb Stunden wieder und ich meine, einen jeden ein wenig aufatmen gehört zu haben, als wir wieder einen Schritt ins Freie setzen konnten. 

 


Autor: Raffaela Böswald studiert Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität.

Foto: Dagmar Hollmann / Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0