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Willkommen bei den Limousins

Mein Auslandssemester an der Universität Limoges in Frankreich

Die Brücke Saint-Étienne am Ufer der Vienne
Die Brücke Saint-Étienne am Ufer der Vienne

Frankreich, das Land der Haute Couture und des kräftigen Rotweins aus Bordeaux. Von Brie, Camembert und Roquefort und lavendelfarbenen Feldern in der Provence - beim Gedanken an unser Nachbarland ziehen vermutlich jedem einige Bildern am inneren Auge vorbei. Bei mir hatte sich irgendwo zwischen vielen Familienurlauben in Frankreich, Crêpes und Flammkuchen auf dem Weihnachtsmarkt sowie meiner Hassliebe mit dem Subjonctif im Französischunterricht die Idee festgesetzt, irgendwann eine Zeit in Frankreich zu leben. Das Irgendwann ist bei mir konkret geworden, als ich mich im klinischen Abschnitt meines Medizinstudiums erfolgreich für einen Erasmusaufenthalt in Frankreich beworben hatte.

 

Ein Grund, warum ich mich dazu entschieden hatte, über das Erasmusprogramm ins Ausland zu gehen, war folgender: Medizinstudenten leisten zwar schon oft Abschnitte ihrer Ausbildung außerhalb von Deutschland ab, jedoch meist eher die praktischen Teile in Form von Famulaturen (Pflichtpraktika in den Ferien) oder dem PJ (=praktisches Jahr im letzten Studienjahr). Diese praktischen Anteile werden generell leichter in Deutschland anerkannt, als im Ausland besuchte theoretische Kurse und abgeleistete Prüfungen. Ich wollte aber ein ganzes Studiensemester im Ausland verbringen. Mir die Zeit nehmen zu können, mich für ein halbes Jahr an einem Ort einzuleben, mir dort einen Alltag aufzubauen und auch einfach das französische Medizinstudium von allen Facetten kennenlernen, waren für mich die Beweggründe, ein ganzes Semester im Ausland zu absolvieren und nicht nur ein Praktikum, bei welchem man nach ein paar Wochen die Stadt und das Klinikum wieder verlässt. Mit Hilfe des Erasmusprogrammes konnte ich schon im Vorfeld vor meiner Abreise von Ansprechpartner an beiden Universitäten profitieren sowie Erfahrungsberichte früherer Studenten nutzen.

 

Das Rathaus von Limoges (Hôtel de ville)
Das Rathaus von Limoges (Hôtel de ville)

Für die medizinische Fakultät meiner deutschen Universität standen über das Erasmusprogramm fünf französische Partneruniversitäten zur Auswahl: Caen, Grenoble, Limoges, Marseille und Straßburg. Bei meiner Entscheidung habe ich bewusst eine der unbekannteren Städte aus dieser Reihe gewählt. Limoges, ein kleines Städtchen mit circa 130 000 Einwohnern. Geographisch konnte diese kleine Stadt fast niemand von meinen Bekannten einordnen. Kein Wunder, das Limousin – die Region in der Mitte Frankreichs mit ihrer Hauptstadt Limoges – zählt zu einer der am dünnsten besiedelten Gegenden in ganz Frankreich. Man vermutet, dass auf diese Gegebenheit auch der Namensursprung des Verbes „limoger quelqu´un“ zurückzuführen, was so viel bedeutet wie „jemanden in die Wüste zu schicken.“ Und ich hatte mir ausgesucht, in dieser „Wüste Frankreichs“ ein halbes Jahr zu studieren. In einer eher ländlich geprägten Region erhoffte ich mir, nicht nur das ursprüngliche Frankreich kennenlernen zu können, sondern auch in einer Kleinstadt ohne riesige Erasmusgemeinde schneller Anschluss an meine französischen Kommilitonen zu finden und so meine Französischkenntnissen schnell verbessern zu können.

 

 

 

Von dem Medizinstudium in Frankreich vermutete ich, dass es ähnlich strukturiert sei wie in Deutschland. Die Ausbildung der französischen Medizinstudenten erfolgt jedoch deutlich praktisch orientierter. Beispielsweise waren vor meinem Auslandssemester bisher nur Schaumstoffmodelle und Schweinefüße meinen chirurgischen Nähfähigkeiten zum Opfer gefallen. An meinem dritten Unitag in Frankreich Anfang September wurde ein 11-jähriger Junge mit einer sieben Zentimeter langen, offenen Wunde am linken Knie eingeliefert. Mein Mitstudent kam damals auf mich zu und fragte, ob ich denn nicht nähen möchte. Erstaunt fragte ich nach, da ich meinen Französischkenntnissen in diesem Moment nicht ganz vertraut habe und mir deshalb nicht sicher war, ob ich selbst nähen soll oder dem Assistenzarzt über die Schulter blicken soll. Ich bekam einen nicht minder verwirrten Blick zurück und mein französischer Kommilitone erklärte mir, dass die Wundversorgung in der Notaufnahme Studentenaufgabe sei. Mit Beginn des vierten Studienjahres (entspricht dem siebten Semester) ist man als sogenannte „Externe“ fest in den Klinikalltag eingeplant. In Limoges war es so geregelt, dass ich circa sechs Wochen lang auf einem bestimmten Fachgebiet tätig war. Man arbeitete den ganzen Tag im normalen Stationsalltag mit, das hieß, eigene Patienten betreuen, die Krankenakten auf dem neuesten Stand halten, Anamnesen führen, kleine Eingriffe unter Supervision durchzuführen oder in den chirurgischen Gebieten natürlich auch am Operationstisch mitzuhelfen. Im Wechsel erfolgte nach einer solchen praktischen Phase eine ebenso lang dauernde Theoriephasen. Leider wurden vor einigen Jahren die klassischen Vorlesungen ab dem klinischen Studienabschnitt vollkommen abschafft. So brachte ich mir im Selbststudium aus den entsprechenden Fachbüchern das meiste Wissen selbst bei, welches dann täglich in Kurzprüfungen auf iPads im Hörsaal kontrolliert wurde. Im Anschluss an die Kurzprüfungen, die die französischen Medizinstudenten auf das nationale Staatsexamen zum Ende des sechsten Studienjahres vorbereiten sollen, wurde die behandelte Thematik noch kurz besprochen.

 

Ich mit zwei französischen Mitstudenten beim Gipskurs in der Kinderklinik
Ich mit zwei französischen Mitstudenten beim Gipskurs in der Kinderklinik

Meine freie Zeit habe ich oft dazu genutzt, die Gegend um Limoges sowie Städte im Umkreis von 3-4h Zugfahrt zu erkunden. Dank der wirklich zentralen Lage von Limoges war das auch ohne TGV-Anbindung gut möglich. Neben den großen Städten wie Bordeaux, Toulouse, Marseille, Lyon, Montpellier und natürlich Paris habe ich auch viel Zeit damit verbracht, Limoges mit Umgebung genauer zu entdecken. Und ich hatte auch das große Glück – genauso wie ich es mir von meinem Auslandsaufenthalt erhofft hatte –, an einen französischen Freundeskreis Anschluss gefunden zu haben. Gut für mich und meinen Drang, meine französischen Sprachkenntnisse zu verbessern. Und natürlich in gefühlt alle wichtigen Themen, alltäglichen Besonderheiten sowie sprachliche Finessen eingeführt zu werden. Sei es die korrekte Art Raclette vorzubereiten, die wichtigsten Chansons singen zu können, Verlan (=französische Umgangssprache) zu üben oder darüber zu diskutieren, ob man in Deutschland überhaupt guten Käse und Wein kenne.

 

Fazit:

Nein, trotz Erasmus konnte ich mir nicht alle Kurse als äquivalent in Deutschland anrechnen lassen und verlängere mein Studium von schnellen 12 auf endlose 13 Semester.

Ja, ich würde alles exakt wieder so machen. Ich konnte während meines Aufenthaltes in Limoges nicht nur meine Sprachkenntnisse verbessern und spreche jetzt passabel Französisch, sondern ich habe neben der Sprache auch einen umfassenden Einblick in die Kultur sowie das Gesundheitssystem bekommen dürfen. Und am allerschönsten: Ich habe in Limoges so viele wunderbare Leute kennengelernt und Freundschaften schließen können, die mein Auslandssemester zu dieser unvergesslichen Zeit gemacht haben. Ich bereue nicht eine Sekunde, mich für die „Wüste Frankreichs“ entschieden zu haben.

 


Zur Autorin: Christine hat ihr Auslandsemester von September 2018 bis Februar 2019 an der Universiät in Limoges, Frankreich absolviert. Sie ist seit 2015 in der KAS und seit 2017 Sprecherin der HSG in Würzburg.