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Einmal Karla Kolumna sein – mein Auslandspraktikum beim ZDF in Washington D.C.

Anfang des Jahres – von Januar bis März 2020 – habe ich als Journalismus-Praktikantin in der amerikanischen Hauptstadt gelebt und gearbeitet. Dabei bin ich in einen Berufsalltag abgetaucht, der voller Abwechslung, aber auch voller Herausforderungen ist, und war ganz nah dran am politischen Geschehen.

 

Ein Donnerstagnachmittag in Washington D.C im Januar. Das Weiße Haus strahlt in der Mittagssonne. In dem Gebäude hat Präsident Donald Trump noch bis vor wenigen Minuten eine Pressekonferenz gehalten, davor tummeln sich nun Journalisten, Kameramänner, Tontechniker. Sie kritzeln auf ihre Notizblöcke, telefonieren aufgeregt oder sprechen in Fernsehkameras - und das auf vielen unterschiedlichen Sprachen. Kein Wunder: in kaum einer anderen Stadt leben so viele internationale Journalisten wie in Washington D.C. Hier vermischt sich Englisch mit Spanisch und Russisch, dazwischen sind Deutsch und Arabisch herauszuhören. Und mittendrin stehe ich und fühle mich zum ersten Mal auch mittendrin in der Welt der Medienmachenden in der US-Hauptstadt.

 

Schreiben, Schneiden, Sprechen

 

Zu diesem Zeitpunkt war es etwa zwei Wochen her, dass ich mein Praktikum im ZDF-Auslandsstudio begonnen hatte – auch wenn die Vorbereitungen hierfür schon im September 2018 stattgefunden hatten. Damals hatte ich mich nämlich bei Studioleiter und JONA-Altstipendiat Elmar Theveßen um den Praktikumsplatz beworben – und tatsächlich eine Zusage erhalten. Bis ich das Praktikum dann wirklich antrat, hatte ich nur eine diffuse Vorstellung davon, wie es sein würde, als Journalistin für ein deutsches Medium im politischen Herzen der USA zu arbeiten. Eines vorneweg: ich hätte nicht gedacht, dass der Alltag als Auslandskorrespondentin tatsächlich so abwechslungsreich sein würde. Die Tätigkeiten reichen von Recherchieren und Hintergrundgesprächen bis hin zu Live-Interviews, Straßenumfragen und dem Besuch von Pressekonferenzen. Man plant Fernsehbeiträge, leitet den Dreh, geht anschließend mit in den Schnitt. Das Schreiben der Skripts für die Beiträge oder von Hintergrundartikeln gehört genauso zur Arbeit wie das finale Einsprechen – das Vertonen – der TV-Stücke. Anders als ihre Kollegen in Deutschland arbeiten die Journalisten in den Auslandsstudios außerdem in keinem festen Ressort, sondern die Berichterstattung deckt ganz unterschiedliche Themengebiete ab. Während ich an einem Tag eine Korrespondentin bei einem TV-Stück über die ökonomischen Konsequenzen des Haiti-Erdbebens unterstützt habe, wurde ich schon am nächsten Tag damit beauftragt, zu der aktuellen US-Agrarpolitik zu recherchieren und betroffene Farmer in Iowa ausfindig zu machen. Ein anderes Mal mussten Beiträge über das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump und die ersten Vorwahlen produziert werden, dann wieder ging es politisch ruhiger zu und es konnten ganz andere Themen umgesetzt werden: die neue Anti-Raucher-Regel eines US-Konzerns,  die Arbeit der Gerichtssaalzeichner des Obersten Amerikanischen Gerichtshofes, die fragwürdige Haltung eines Krokodils als Haustier. Langweilig wurde mir während meines also Praktikums nicht! 

 

Ganz nah dran

 

Als „Auslandskorrespondentin auf Zeit“ war ich außerdem immer ganz nah dran und wusste oft als mit eine der ersten von neuesten Entscheidungen und Ereignissen. Besonders spannend waren für mich die Pressekonferenzen im amerikanischen Senat während Trumps Amtsenthebungsverfahren. Da saß ich plötzlich bewaffnet mit Notizblock und Stift zwischen den gestandenen Journalisten von Sendern wie CNN oder BBC, vorne am Rednerpult bekannte amerikanische Politiker oder Juristen. Echte Breaking News eben – nur, dass ich sie nicht über den Fernsehbildschirm mitbekam, sondern ganz direkt. Manchmal passierten Ereignisse aber auch vollkommen plötzlich – dann hieß es: schnell sein! Eine Crew zusammentrommeln. Equipment in den Wagen packen und sich während der Fahrt einen Überblick über die Situation schaffen. Am Ort des Geschehens dann: Interviews einholen, Bewegtbilder einfangen, eventuell live einen einordnenden Kommentar vor laufender Kamera geben. Und dann mit Vollgas zurück ins Studio, wo das gesammelte Material oft unter hohem Zeitdruck gesichtet, geschnitten und vertont werden musste. Dabei habe ich mich wirklich ein bisschen wie Karla Kolumna, die rasende Reporterin (bekannt aus Kinderserien wie Bibi Blocksberg) gefühlt.

 

Fake News?! 

 

Ich habe in Washington D.C. Journalismus allerdings nicht nur als spannendes und schillerndes Berufsfeld erlebt. Dadurch dass in D.C. sehr viele Journalisten über dieselben Dinge berichten, trafen wir häufig auf Reporter anderer Fernsehsender. Darunter waren oft auch die Journalisten des amerikanische Senders Fox News, der bekannt ist für seine subjektive und Trump-freundliche Berichterstattung. Teilweise war es fast schon erschreckend, wenn ich zufällig mitbekam, wie ein Fox-Journalist wenige Meter neben mir live einen Fernsehkommentar abgab oder wenn ich mir später einen TV-Beitrag auf dem Kanal ansah. Denn dabei beobachtete ich immer wieder eine verzerrte, mitunter sogar falsche, Darstellung von denselben Fakten oder Ereignissen, bei denen ich im Rahmen meiner Arbeit für das ZDF auch vor Ort gewesen und worüber ZDF-Korrespondenten wie Elmar Theveßen ebenfalls berichtet hatten. Ich wusste also, was wirklich gesagt oder getan wurde – und das entsprach nicht immer dem auf Fox News Gezeigtem. Fake News also. Bei einer solchen Berichterstattung kann ich sogar fast nachvollziehen, dass viele Amerikaner den Medien sehr misstrauisch gegenüberstehen. Das war in Washington D.C besonders stark spürbar. Tauchten wir irgendwo mit einer Fernsehkamera auf, wechselten viele Menschen die Straßenseite; beäugten uns kritisch; verweigerten Interviews und Straßenumfragen. Dabei bleibt es jedoch häufig nicht. Ich habe zwar selbst keine krassen Ausschreitungen gegen uns Journalisten mitbekommen, aber ein erfahrener ZDF-Kameramann hat mir von mehreren Vorfällen erzählt, bei denen zufällig vorbeikommende Menschen die Fernsehcrews massiv beschimpft und teilweise sogar körperlich angegriffen haben. Was früher noch eine ziemliche Ausnahme gewesen sei, habe besonders in den letzten Jahren extrem zugenommen. Keine schöne, aber eine ernstzunehmende Entwicklung. Dafür zu sorgen, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Medien gewinnen ist meiner Meinung nach sehr wichtig und nur durch seriösen, guten Journalismus möglich. Wie der gemacht wird, das habe ich während meines Praktikums in Washington D.C. auf jeden Fall gelernt und kann daher alle Jonalist:innen ermutigen, sich um diese oder eine ähnliche Hospitanz zu bewerben, sobald es die allegmeine Lage wieder erlaubt!


Autorin: Julia Kanning

Fotos: privat