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Bundespräsident a.D. Christian Wulff warnt vor der Gefährdung der Demokratie

Göttingen, 16. Mai 2023 - Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff hielt vor den Stipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung und Mitgliedern des RCDS in Göttingen eine 60-minütige Rede, in der er vor den Gefahren der Demokratie warnte. Seine Kernbotschaft lautete: Demokratien sind nicht nur von außen, sondern insbesondere auch von innen gefährdet. Ohne engagierte Demokraten drohe die Freiheit in der Selbstverständlichkeit zu verblassen.

 

Wulff entführte die Zuhörer auf eine bewegende Reise, die auf die Gefahren der Demokratie aufmerksam machte und dabei stets an die Verantwortung eines jeden einzelnen appellierte. Ein besonderes Augenmerk galt aktuellen Ereignissen wie dem Einfall Russlands in die Ukraine oder der Bedeutung der deutschen Integrationspolitik. Wulff betonte auch, dass die Demokratie stets von einem starken Teil der Gesellschaft unterstützt werden müsse, der hinter der Verfassung steht und sich für diese einsetzt. Er warnte davor, dass Demokratien schleichend zu vergehen beginnen, wenn sie zu selbstverständlich werden und es an Bürgern fehlt, die sich aktiv in die Demokratie einbringen.

 

In seiner Rede arbeitete Wulff explizit zwei Herausforderungen der heutigen Zeit heraus: die Digitalisierung und die Globalisierung. Durch die bahnbrechende Erfindung des Buchdrucks und Luthers Bibelübersetzung verlor die Kirche ihr Deutungsmonopol. Menschen konnten sich selbstständig ein Bild machen, waren nicht mehr auf Auslegungen durch andere angewiesen und wurden so befähigt, emanzipiert und selbstbewusst zu handeln. Heute dagegen hat diese Selbstständigkeit durch das Internet auch eine gefährliche Note erhalten, denn viele Menschen informieren sich über Fluten ungeprüfter Beiträge, Bilder und Videos. Des Weiteren sei man auf diese Weise schnell verleitet, sich einseitig polarisieren zu lassen, man verlerne, abwägend ins Gespräch mit anderen zu treten, und die Fähigkeit zu einem Konsens zu gelangen rückt in weite Ferne. Wulff warb daher für gute, verlässliche Informationen von geschulten Redakteuren und betonte, dass umfassende Medienkompetenz die einzig sinnvolle Lösung für dieses neue Problem sei. Die Globalisierung und die entstehende Zuwanderung seien die zweite, zentrale Herausforderung, da sie oft Ängste schüren, die allerdings unberechtigt seien. Wulff betonte an dieser Stelle, wie viele erfolgreiche Einwanderungsgeschichten es gebe, die man oft nicht ausreichend würdigen würde. Man müsse sich nur mutig zur Integration bekennen und ihre Potenziale aufzeigen.

 

In der anschließenden Diskussionsrunde mit den Stipendiaten thematisierte Wulff die Rolle Deutschlands in der Welt. Er betonte, dass Deutschlands Auftreten im Gespräch mit anderen nur in Gemeinschaft mit Europa bestand hätte, da es in heutigen Zeiten gilt, auf der weltpolitischen Bühne europäischen Zusammenhalt und vereinigte Stabilität zu beweisen. Wulff lebte in der Diskussion demokratische Bürgernähe auf Augenhöhe. Er zeigte auf, wie wichtig es ist, dass sich jeder für die Demokratie einsetzt und betonte, dass diese niemals als zu selbstverständlich angesehen werden dürfe. Er appellierte dabei insbesondere an junge Menschen, die selbstbewusster politisch sein und öfter gestaltend mitwirken sollten, da gelebte und funktionierende Demokratie auf das Aktivwerden ihrer Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist. Demokratie ist ein hohes Gut und die einzige Weise, sie zu schützen, ist, engagiert an ihr zu partizipieren!

 


Auf dem Foto zu sehen: v.l. Christian Hintze, Paulina Brosche, Christian Wulff
Auf dem Foto zu sehen: v.l. Christian Hintze, Paulina Brosche, Christian Wulff